Dieses Jahr im Advent

Kalt und ungemütlich ist es draußen, die ersten Schneeflocken fallen passend zum ersten Advent und hier, kurz vor Berlin, regnete es stattdessen, also alles wie gehabt.
Die Weihnachtsmärkte sind kurzfristig abgesagt, keine Wochenenden am Marktstand mit Eisbeinen, Frostnase und Glühwein. Abgesehen von zu vielen Gläsern an unverkauftem Fruchtaufstrich und Chutneys, statt der erwarteten Hektik plötzliche Zeit, Ruhe, Muße. Zeit, die ich mit der Familie verbringen kann und will. Zeit, die, wie ich lerne, ausgehalten werden muss, Ruhe, die ich erst wieder zulassen muss, Vertrauen auf eine – wie immer- ungewisse Zukunft, die ich nicht fürchten sollte. Der Sinn des Advent, die Bedeutung des Wartens, all dies steckte immer schon in den Keksen, in den Kerzen, doch gesehen habe ich es lang schon nicht mehr. Nun also dieses Jahr erste Kekse, warmer Kakao und die erste Kerze: Entspannung, keine Termine, dem Sinn (des Lebens) Platz einräumend.

Und dann kam mittendrin meine Nachbarin Anne „eben mal rüber“. Sie hatte eine Überraschung für uns. Man muss wissen, sie ist eine 1A Deko-Fee. Kurzentschlossen und mit Grün aus unserem Garten verwandelte sie unseren Hauseingang in ein Weihnachtsmärchen. Einfach super. Einfach so.

Ich beschränke mich ja mehr aufs Notwendige beim Marktstand, sehr zu Gatterichs Leid. Er liebt Weihnachtsdekorationen zuhause, wohlgemerkt anzuschauen, nicht auf- oder abbauen.
Und während Anne draußen mit super guter Laune Zweig um Zweig in meine leeren Töpfe steckte, alte Äste, einen kaputten Schlitten von dunnemals, den ich noch entsorgen wollte… in bezaubernde Deko umfunktionierte (sowas geht wirklich!) gingen meine Gedanken ein wenig auf Wanderschaft.

Die Ruhe schafft Raum, für Erinnerungen, für Unbekanntes, für Neuanfänge. Seit mindestens fünfzehn Jahren kenne ich Anne, zehn davon Zaun an Zaun. Unsere Kinder sind miteinander groß geworden, über die jeweiligen Gatten können wir herrlich über’n Zaun schimpfen, tauschen Kuchen und Essen, quatschen über Gott und die Welt durch den Draht.
Aber erst durch die letzten zwei Jahre, durch die Zwangsbremse in unserer täglichen Hektik sind wir mehr zusammen gerückt. Hätte auch anders kommen können. Ist es aber nicht. Hilfe „über den Zaun“ ist ohne Frage, und wenn der Hüttenkoller zuschlägt, nebenan kann Frau Luft holen. So kam es, Anfang des Jahres, als es eben auch kalt und nass draußen war, das Anne ihre Energie loswerden musste und mal „Gatterichabstand“ brauchte, denn zweimal ungebremstes Home-office kann anstrengend sein.
Wir also unsere obere Etage komplett entrümpelt (wollte ich erst seit fünf Jahren, nur waren immer zu wenige Tage im Jahr oder so das Argument), umgeräumt, neu dekoriert, gut 2 Monate viel Energie abgelassen. Und dank Anne ein sichtbarer Erfolg. Wir waren richtig stolz und zufrieden erschöpft, waren sicher, der nächste Winter, da ist alles wie früher, Pandemie perdu, Weihnachtsrummel vom Feinsten.

Ist es aber nicht. Die vierte Welle bremst gewaltig. Machen wir das Beste draus. Wer weiß denn, was nach der Pandemie kommt, ob wir dann irgendwo nochmal wieder soviel Ruhe finden… und für den nächsten Hüttenkoller auf der anderen Zaunseite, so spätestens kommenden Februar, wäre da noch mein Badezimmer diesseits des Zauns. Braucht dringend eine Überholung mit Schick, hatte ich das schon beiläufig am Zaun erwähnt?

In diesem Sinne, carpe diem, darauf einen Keks.

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