„Emma, mach die Tore auf“ – Ein FrauenOrt in Brandenburg

Zugegeben, schon bevor ich Marktfrau wurde, weckten Tafeln und Karten am Wegesrand mein Interesse. Laufend ein bisschen klüger werden ist nun mal für mich ein sinnvoller Weg.

Nicht anders beim Sonntagsspaziergang am Nottekanal in Königs Wusterhausen. Der entstand zu einer Zeit, als der Hunger Berlins nach den Ziegeln aus dem Umland riesig war. Per Schiff wurde der begehrte Baustoff in die wachsende Metropole gebracht. Heute ist der Weg entlang der kanalisierten Notte gut ausgebaut und für die Königs Wusterhausener ein beliebter Spaziergang.

Schon nach ein paar Metern fällt mein Blick auf eine Tafel: Emma Pufahl – nie gehört. Und schon tauche ich in die unbekannte Biografie der einstigen Schleusenwärterin ein. Als ihr Mann 1965 starb, übernahm Emma die Arbeit als Schleusenwärterin. Aus dem Text auf der Tafel erfahre ich, dass sie für ihre Arbeit als Ungelernte einen Stundenlohn von 2,01 Mark bekam. „So setzt sich die über 60-jährige noch einmal auf die Schulbank. Als einzige Frau unter 24 Männern erwirbt sie 1972, mit 65 Jahren, ihren Berufsabschluss als Facharbeiterin für Wasserbautechnik und darf sich nun ganz offiziell Schleusenwärterin nennen.

Erst viele Jahre später geht sie in Rente und ist zu dieser Zeit die älteste aller Schleusenwärter im Land“, berichtet der Text. „Emma, mach die Tore auf“, riefen einst die Ankommenden, und Emma öffnet – noch mit der Handkurbel – die schweren hölzernen Schleusentore. Erst seit 1984 wird die Schleuse an der Schlossstraße in KW elektrisch betrieben. Emma Pufahl ist ein Königs Wusterhausener Original. 30 Jahre schleuste sie Wassersportlerinnen und Freizeitkapitäne mit ihren Booten durch die Schleuse der Innenstadt.

Frauen, die wichtiges geleistet haben

Ich schaue auf die Schleuse, das kleine – heute offenbar unbewohnte – Schleusenwärterhaus und versuche mir, die Frau vorzustellen, die hier arbeitete und lebte. War sie glücklich? Mit wem sprach sie am Abend nach den langen Arbeitstagen? Mein Blick fällt erneut auf die Tafel, die mir erklärt, dass die Würdigung von Emma Pufahl Teil des Brandenburger Projekts FrauenOrte ist. Noch mal Neugier. Bei der Recherche erfahre ich, dass es diese FrauenOrte im Land Brandenburg schon seit 2010 gibt.

An konkreten Orten werden Frauen vorgestellt, die Wichtiges geleistet haben: Ärztinnen, Unternehmerinnen, Pädagoginnen, Politikerinnen … oder eben Arbeiterinnen wie Emma Pufahl.
Die Politikerin Regine Hildebrandt gehört genauso dazu wie die Medizinerin Dr. Ruth Möller aus Treuenbrietzen oder die Naturschützerin Erna Kretschmann aus Freienwalde.

Alle Biografien eint, dass diese Frauen emanzipatorisch auf politischem, wissenschaftlichem, sozialem oder kulturellem Gebiet gewirkt haben. Viele Namen sind beinahe vergessen. Kein Zufall, denn die Geschichtsschreibung vergisst gern die femininen Seiten und verbannt die Leistungen der Frauen in die Bedeutungslosigkeit.

Auch die Länder Sachsen-Anhalt und Niedersachsen würdigen so ihre Frauengeschichte. Alle FrauenOrte im Land Brandenburg zeigt die Homepage www.frauenorte-brandenburg.de, der zum Zeitpunkt meiner Recherche (Anfang März 2022) eine Aktualisierung gut zu Gesicht stehen würde.

Wer zwischen Altglobsow (die Unternehmerin Johanna Luise Pirl) im Norden Brandenburgs und Mühlberg (die Stifterin Agnes Bircke von der Duba) im Süden des Landes unterwegs ist, sollte einfach kurz stehen bleiben und lesen, wenn eine Tafel auf einen FrauenOrt aufmerksam macht, denn Vergessen haben diese Frauen allesamt nicht verdient.

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