Kolberg: Wasser, Wälder, Dichter

Weite, Wasser, Wälder, Ursprünglichkeit, Geschichten der Mark und versteckte Kostbarkeiten, die aufgefunden werden wollen – in der Brandenburger Kulturlandschaft haben Autoren verschiedener Epochen Inspiration gefunden und Spuren hinterlassen: Heinrich von Kleist und Frankfurt, Bettina von Arnim und Wiepersdorf, Gerhart Hauptmann und Erkner, Kurt Tucholsky und Rheinsberg, Hans Fallada und Carwitz im Feldberger Seenland, Bertolt Brecht in Buckow am Schermützelsee … Und natürlich immer wieder Fontane.

Weniger bekannt ist das Dorf Kolberg, heute Ortsteil der Gemeinde Heidesee im Nordosten des Landkreises Dahme-Spreewald, eines der Eingangstore zum Naturpark Dahme-Heideseen.
An den Sommerwochenenden, wenn die Berliner aus der heißen Stadt an die Seeufer flüchten und scheinbar alle Datschen ringsum bewohnt sind, herrscht Jubel, Trubel und Sonnen-Heiterkeit. An allen anderen Tagen empfängt den Besucher der Eindruck, dass sich hier Fuchs und Hase schon lange gute Nacht gesagt haben. Wer aber Stille, Seen, Wälder mit uralten Bäumen, Spazier-, Rad- und Wanderwege als Geschenk empfindet, fühlt tief in sich ein Ankommen.

Der erste Dichter, der diesen Reiz wahrnahm, war Ende der 1920er Jahre Vladimir Nabokow, der zu diesem Zeitpunkt gerade seinen Debüt-Roman „König, Dame, Bube“ veröffentlicht hatte, rund 25 Jahre vor „Lolita“.
Nabokows Plan, hier sesshaft zu werden, scheiterte wohl an seinen finanziellen Mitteln.

Mitte der 1930er Jahre kam Hans Scholz nach Kolberg, malte und schrieb hier. Neben seinem Roman „Am grünen Ufer der Spree“ sind vor allem seine Reiseberichte „Wanderungen und Fahrten in der Mark Brandenburg“ bekannt, die acht Bände umfassen.

Zu den Kolberger Dichtern gehört der Lyriker Henryk Bereska, dessen Werke es in der DDR schwer hatten. Er war einer der wichtigsten Übersetzer polnischer Literatur. 2007 erschienen seine Gedichte und Tagebuch-Notizen als „Kolberger Hefte“.
Bereska ist auf dem Friedhof in Kolberg beerdigt, nur wenige Schritte entfernt ist das Grab von Werner Liersch, der 1967 nach Kolberg kam. Der Autor bleibt mit seinem Buch „Dichterland Brandenburg“ (erschienen im verlag für berlin-brandenburg) ein kenntnisreicher Reiseleiter durch märkische Literaturlandschaften und widmet dem 300-Seelen-Dorf ein ganzes, sehr persönliches Kapitel.
Liersch nennt Boris Djacenko „Kolbergs tragischen Dichter“. Der in Riga geborene Autor landete 1967 im kleinen märkischen Ort. Sein Buch „Herz und Asche“ brach ein Tabu, denn er beschrieb die Vergewaltigung deutscher Frauen durch Angehörige der Roten Armee. Der bis dahin als linientreu geltende Autor wurde im Kreuzfeuer der offiziellen Kulturpolitik Opfer ihrer Zensur und schrieb später unter dem Pseudonym Peter Addams Kriminalromane.

Eberhard Panitz lebte hier und setzte der ersten Bürgermeisterin Kolbergs nach dem Krieg in seinem Buch „Die unheilige Sophia“ ein literarisches Denkmal.

Den Berg im Ortsnamen gibt es wirklich. Der Kolberg ist mit 91 Metern über NN die höchste Erhebung des Landkreises Dahme-Spreewald. Einst sorgten Techniker hier für den Radioempfang im nahen Berlin. Zu DDR-Zeiten befand sich auf dem Berg das „Zentral-Institut für Funktechnik“.
Das Areal ist umzäunt, und wer Lust bekommt, einen Blick vom knapp 30 Meter hohen Turm ins Land zu werfen, hat keine Chance. Seit dem Jahr 2000 steht das denkmalgeschützte Gesamtensemble leer.

Rund um den Berg schmiegen sich Grundstücke, auf denen hohe, alte Bäume stehen, die im Sommer viel Schatten spenden und im Herbst für Erfolge beim Pilzesammeln sorgen. Am Ring um den Berg lebt der Schauspieler und Autor Peter Reusse, der in seinem 1996 erschienen ersten Buch „Der Eismann geht. Krise eines Schauspielers“ einen schwierigen Lebensabschnitt verarbeitete. Inzwischen entstanden zwölf Bücher, das jüngste erschien zu Jahresbeginn 2020 unter dem Titel „Der Spielmann streicht die Fidel“.

Woher die Anziehung des Ortes auf Künstler kommt? „Der Reiz des Ortes bestand in seiner Lage. Eingebettet zwischen Seen, Kiefernwäldern und sandigem Ackerland. Am Rand des eindrucksvollen Wolziger Sees“, beschreibt Werner Liersch. Schade, dass nichts im Ort an die Dichterspuren erinnert. Kein Straßenname, keine Hinweistafel. Aber es gibt ja das Buch von Werner Liersch und die Kolberger, die wissen, wer hier Ruhe und künstlerische Inspiration fand und noch immer findet.

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