Der Seifenkäufer

Ein Markt ist das pralle Leben, bunt, interessant, seltsam und verstörend zudem. Kurz, alles kann passieren.

Ein Standbetreiber ist im besten Fall ein gut gelaunter, lächelnder Verkäufer, wohlmeinender Berater, verschwiegener Seelsorger, inoffizieller medizinischer Informationsdienst, Reiseführer, Eheberater, Koch und Rezeptgeber und was sonst noch ansteht. Im ungünstigstem Fall ist es ein schlecht ausgeschlafener Mensch mit mieser Laune und kaum Umsatz.

Und die andere Seite vom Verkaufstisch? Nun, ein netter, aufgeschlossener Kunde mit guter Laune und gefülltem Portemonnaie, handgemachte Qualitätsware schätzend. Oder ein Muffelkopf, Pfennigfuchser, Miesepeter… ums höflich zu sagen.

Oder ein ganz besonderer Kunde, von dem ich mal erzählen will, denn ich konnte ihn über Jahre beobachten, immer nur am Nachbarstand anhaltend. An besagtem Nachbarstand mit Seifen, Hautcremes und Badeartikeln bediente ein netter, ruhiger, freundlicher, etwas älterer Herr ab und an in Vertretung für seine Frau, die eher sein freundliches Gegenteil war, laut lachend, redselig, aktiv, immer hilfsbereit und in Bewegung.

Wieder und wieder kam ein Mann mittleren Alters an ihren Stand, schaute alles an, schaute nicht auf, schnupperte hier und da. Die Dame des Standes bemühte sich jedesmal rührend um ihn. „Kann ich Ihnen helfen? Möchten Sie etwas probieren, kann ich Ihnen Auskunft zu meinen Produkten geben?“ fragte sie immer jedes Mal höflich und freundlich. Besagter Mann jedoch schaute kaum angesprochen wie aus Trance gerissen auf, sagte kein Wort und verließ fluchtartig den Stand.

Irritation und Fragezeichen waren jedesmal nur einige der Emotionen, die über das Gesicht meiner Nachbarin liefen. Egal was sie machte, der Quasi-Kunde kam wie bestellt, das Spiel wiederholte sich in Variationen, wie ein Traum, aus dem man nicht aufwachen kann. „Da kommt er wieder“, sagte sie irgendwann mal zu mir herüber und es war klar, unser Schweiger nahte. Frustriert verließ meine Standnachbarin ihren Stand, bat ihren Mann, der zufällig mit da war, sich um den Schweiger zu kümmern, wie auch immer, sie würde die Minuten mal kurz für den privaten Ruf der Natur nutzen, da ja kein Umsatz zu erwarten wäre.

Neugierig und gespannt beobachtete ich was nun wohl geschehen würde. Ehemann kannte schließlich die Geschichte vom Schweiger, soviel wusste ich aus unseren gelegentlichen Unterhaltungen. Nun, ums kurz zu machen, der Schweigende trat wie immer an den Nachbarstand, roch an den ausgelegten Mustern verschiedener Waren und Seifen, schaute nicht auf, stand wie im Schlaf regungslos davor. Bin gespannt was Ehemann jetzt sagt, dachte ich noch und beobachtete ungeniert weiter. Nun, besagter Ehemann stellte sich am Stand gegenüber dem Schweiger auf und sagte- kein Wort! Der Schweiger schaute irgendwann auf zu Ehemann und beide schwiegen – und schwiegen… es war das lauteste Anschweigen, welches ich auf einem Markt je vernahm in all den Jahren.

Gefühlte 15 Minuten später zeigte der Schweiger auf eine Seife, sagte „4“ zum Ehemann. Der sagte weiter nichts, nahm vier Stück aus der Auslage und fragte „Tüte?“ Schweiger schüttelte den Kopf, Ehemann hielt seine offene Hand dem Schweiger entgegen, Geld und Seifen wechselten den Besitzer. Die Herren schauten sich weiter wortlos an, keiner bewegte sich. „Was nun, das wird ja richtig spannend“, dachte ich noch, als meine Standnachbarin wieder zurück zum Stand kam. Kaum angekommen, drehte Schweiger sich sofort um und eilte, wie gehabt, davon.

Selten sah ich meine Nachbarin so wortlos ihren Mund öffnen und wieder lautlos zuklappen wie in dem Moment, als ihr Ehemann zu Ihr sagte „weiß gar nicht was du mit dem Mann hast… er hat 4 Stück Seife gekauft und wir hatten ein echtes Männergespräch.“

Seither war Ehemann am Stand für Schweiger und Kollegen zuständig, da war meine Nachbarin nicht mehr zu erweichen und regelmäßig wechselten fortan wortlos 4 Stück Seife den Besitzer. Es war bereits alles gesagt.

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