Der Stechlin – Mit Fontane unterwegs

Theodor Fontane (1819-1898) hat mit seinem großen Altersroman „Der Stechlin“ viel für die Bekanntheit der Region im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land getan. Selbst entzückt von der Schönheit der Landschaft zwischen Buchenwäldern, Klarwasserseen und Sagenwelt, lockt der Meister der Herzenskonflikte noch immer Literaturbegeisterte in den Norden Brandenburgs.

Den Namen Stechlin trägt heute eine Gemeinde im Amt Gransee, die aus den drei Hauptortsteilen Neuglobsow, Menz und Dollgow besteht – vor allem im Sommer Anziehungspunkt für Urlauber, angezogen von Norddeutschlands größtem Klarwassersee, der seinen Namen zurecht trägt, denn an vielen Stellen kann man bis zu zehn Meter tief sehen. Wer ihn umrunden will, legt gut 16 Kilometern zurück und durchstreift Zeugen mehrerer Epochen.

Der Weg führt vorbei am stillgelegten Kernkraftwerk Rheinsberg, an einer Forschungseinrichtung des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), bei Böttcher & Sohn, Fischer am Stechlinsee in siebenter Generation und einer Tauchstation. Viele Besucher des Ortes suchen „das Schloss Stechlin“, aber das hat sich Fontane nur ausgedacht, hier gibt es kein Schloss. Dafür schmucke Villen und gepflegte Feriendomizile, die an die Seebäder der Ostseeküste denken lassen. Kein Zufall, denn die ansehnlichen – inzwischen auch sanierten – Bauten entstanden etwa in der gleichen Zeit, als der wirtschaftliche Aufschwung im Kaiserreich gut Betuchten ermöglichte, sich ein Haus zur Sommerfrische zu errichten. Mit ihnen kamen Künstlerinnen und Künstler.

Dem Heimatverein von Neuglobsow ist es zu verdanken, dass deren Spuren nicht verwischt sind. 14 Stationen umfasst die „Spurensuche“. Symbol des historischen Pfads ist eine grafische Abstraktion aus Fußabdruck und Hahn. Das spielt auf die Sage vom Roten Hahn an, der im See lebt und nicht duldet, dass an verrufenen Stellen gefischt wird. So beschreibt das Fontane in seinem Roman: „Rot und zornig, und schlägt mit den Flügeln bis er schäumt und wogt, und greift das Boot an und kreischt und kräht, daß es die ganze Menzer Forst durchhallt von Dagow bis Roofen und bis Alt-Globsow hin.“ Rot und zornig steigt der Rote Hahn aber auch aus dem idyllischen See, wenn es irgendwo in der Welt gärt und brodelt.

Einer der ersten Sommergäste, der nach Neuglobsow kam, war der Rudolf Ditzen (1893-1947), der sich seit seinem ersten Roman Hans Fallada nannte. Er verlebte hier Ferientage seiner Kindheit, die er in seinem Buch „Damals bei uns daheim“ schilderte: „Es war das Verlassenste, Einsamste, Schönste, was man sich nur denken konnte“. Das Haus jener Kindertage sucht man vergeblich. „Nahe dieser Stelle steht heute die zu Beginn der 1950er Jahre neu errichtete Kirche“, erklärt die freundliche Mitarbeiterin der Tourist-Information im Glasmacherhaus. Das über zweihundert Jahre Haus erzählt heute „Zwölf Geschichten vom Glas“, denn vom Ende des 18. Jahrhunderts bis etwa 1900 wurde hier grünes Tafelglas herstellt. Viele der kleinen Häuser, in denen die Glasbläser lebten, sind mit Liebe zum Detail saniert.

1920 kam das Schriftstellerpaar Lola Landau (1892-1990) und Armin T. Wegner (1886-1978) nach Neuglobsow. Sie Jüdin, er Pazifist blieben sie in ihrem „Haus der sieben Wälder“ bis zur Machtübernahme Hitlers. 1987 erschienen die Lebenserinnerungen von Lola Landau unter dem Titel „Vor dem Vergessen – Meine drei Leben“. Vor dem Vergessen bewahrt Neuglobsow seine einstigen Einwohner: zwei Straßen tragen ihren Namen. Am Ufer des Stechlin lebten und arbeiteten das Autorenpaar Lori Ludwig (1924-1986) und Hanns Krause (1916-1994), die Kinderbücher schrieben und noch immer zieht die Landschaft Künstler an, die hier Ruhe, Entspannung und Inspiration finden.

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